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Interview

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wird nicht müde, mehr kooperative

Wertschöpfung unter den Thüringer

Unternehmen anzumahnen. Wie se-

hen Sie das und was tut die IHK, um

auf diesem Gebiet voranzukommen?

Es ist richtig, kooperative Wertschöp-

fung stärker in den Fokus zu rücken,

auch wenn es dem bisherigen Bran-

chenverständnis widerspricht. Es ent-

stehen neue Wertschöpfungsketten, die

sich durch Flexibilität, Transparenz aus-

zeichnen. Weitere Vorteile sind Kosten-

ersparnisse und Produktionssteigerun-

gen.

Darauf muss unser Mittelstand vorbe-

reitet sein. Es ist zudem die Chance, sich

mit den eigenen Kernkompetenzen,

Stärken und Schwächen auseinanderzu-

setzen, seine Wettbewerbsfähigkeit zu

steigern und ganz neue Produkte oder

ganzheitliche Lösungen für den Kunden

anzubieten.

In Ostthüringen sind mit Unterstützung

der IHK schon zahlreiche Firmen strate-

gische Partnerschaften eingegangen,

die noch weiter auf die neuen Formate

ausgerichtet werden müssen. Das jüngst

initiierte Ostthüringer Netzwerk Ener-

gieeffizienz ist ein Beispiel für bran-

chenübergreifenden Erfahrungsaus-

tausch. Schon beim ersten Treffen

diskutierte man Möglichkeiten der

Energieeinsparung und damit Senkung

der Betriebskosten durch besseren

Drucklufteinsatz. Einige Netzwerkpart-

ner, wie FKT Formenbau und Kunst-

stofftechnik in Triptis, haben bereits ihre

Druckluftanlagen umgebaut und geben

diese Erfahrungen anderen Unterneh-

men weiter.

Möglichkeiten zum gegenseitigen Ken-

nenlernen gibt es viele weitere –neben

der Unternehmensdatenbank sind unse-

re Veranstaltungsreihen eine gute

Gelegenheit, Erstkontakte zu knüpfen.

Wir initiieren aber auch Weiterbildungs-

angebote mit branchenübergreifenden

Themen, Stichworte sind hier Industrie

4.0 oder rechtliche Rahmenbedingun-

gen von Kooperationen.

Was sollte die Politik Ihrer Auffassung

nach noch tun, außer wohlmeinende

Hinweise zu geben? Gibt es in den

Instrumentarien noch Optimierungs-

bedarf?

Optimierungsbedarf gibt es bei Instru-

mentarien immer und wir prüfen regel-

mäßig, ob Förderinstrumente noch zeit-

gemäß sind oder überbordende

Regularien die Unternehmen benachtei-

ligen. Manchmal nimmt die Politik un-

sere Ratschläge und Erfahrungen auch

an. So hat das Wirtschaftsministerium

bei der derzeitigen Außenwirtschafts-

richtlinie unsere Vorschläge rasch ein-

gearbeitet und im Ergebnis spürt der

Unternehmer sowohl gesunkenen Ver-

waltungsaufwand als auch die schnel-

lere Auszahlung der Gelder.

Danke für das Stichwort: Wir reden

von der Außenwirtschaft. Dieser Be-

reich der Wirtschaftspolitik ist ja

schon deutlich überarbeitet worden –

nicht zuletzt unter Ihrer tätigen Mit-

arbeit. Welches Potenzial sehen Sie

hier für die Ostthüringer Wirtschaft?

Der Export spielt für die Unternehmen

eine große Rolle. Das zeigen neue

Höchststände bei der Ausfuhr von Wa-

ren und Dienstleistungen. Die ausländi-

schen Märkte bieten aber immer noch

eine Menge weiteres Potenzial.

Iran sehen wir wieder als sehr interes-

santen Markt. Das Land hat enormen

Modernisierungsbedarf. Davon können

Unternehmen partizipieren, dank des

hervorragenden Rufs, den Qualität und

Service „Made in Germany“ haben.

Kontakte in Russland zu halten bzw. neu

anzubahnen, rate ich ebenfalls, auch

und gerade in der Eiszeit der Sank-

tionen. Es ist und es bleibt ein riesiger

Markt.

Natürlich sind die Chancen im Export

immer auch mit Risiken verbunden. In

der Regel sollte man für den Markt-

einstieg ein Durchstehvermögen von

zwei Jahren einkalkulieren und dabei

die Beratung und Netzwerke durch die

IHK-Organisation nutzen. Als Mittel-

ständler mit ein, zwei Mitarbeitern im

Auslandsvertrieb kann man nicht 180

Märkte selber sondieren. Dafür können

uns unsere Mitgliedsunternehmen als

„Pfadfinder“ und „Berater“ gern in die

Pflicht nehmen. Gleichzeitig raten wir

auch dazu, in den Firmen mehr eigene

Exportkompetenz aufzubauen und die

eigenen Fachkräfte dafür zu qualifizie-

ren.

Dabei bewähren sich übrigens auch bei

den Kammern die Arbeitsteilung und

Kooperationen untereinander. Als IHK

Ostthüringen fokussieren wir uns inner-

halb der IHK-Organisation stärker auf

den Iran, andere Kammern spezialisie-

ren sich mehr auf andere Märkte. Für

den Unternehmer ist es zweitrangig, ob

die Kompetenz aus der hiesigen oder

Nachbar-IHK kommt. Er spricht seine

IHK an und er erwartet kompetente

Antworten und unkomplizierten Ser-

vice.

Zum Schluss noch diese Frage: Worin

liegen nach Ihrer Meinung die größ-

ten Herausforderungen für die Ost-

thüringer Wirtschaft in den nächsten

Jahren und wo liegen ihre größten

Potenziale?

Eine große Herausforderung ist das

Thema Fachkräfte. Zu wenig Azubis

heute – sind zu wenig Fachkräfte mor-

gen. Wir unterstützen die Firmenchefs

dabei verstärkt, z. B. im Rahmen des

Projekts „Schülercollege“. Hier organi-

sieren wir Schnuppertage vor Ort im

Betrieb, um Berufe, Betriebsabläufe und

Zukunftsperspektiven in den Firmen

kennenzulernen.

Nur mit guten Fachkräften werden die

Unternehmen die weiteren Heraus-

forderungen meistern – Innovation,

Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und

Erschließung neuer Märkte.

Unsere Potenziale sind einerseits enge-

re Kooperationen bis hin zu mehr

Firmenverbünden und andererseits un-

sere Stärken wie Ideenreichtum und

Erfindergeist, Qualitätsprodukte, Fach-

kompetenz und Flexibilität. Diese gilt

es, weiter auszubauen.

Interview: Torsten Laudien